Wettbewerbsrechtliche Fragen
Ein Rechtsstreit von grundsätzlicher Bedeutung war der mit dem Briefmarkenhändler Ullmann aus Landshut, der sich von 1966 bis 1970 hinzog und über sämtliche Instanzen (Landgericht, Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof) ausgetragen wurde.
Anlaß war, daß der BPP die Genehmigung zum Abdruck seines Mitgliederverzeichnisses im Interphila-Jahrbuch 1966 davon abhängig gemacht hatte, daß dort kein Inserat des U., in dem sich dieser als Prüfer bezeichnete, abgedruckt würde. Dem lag ein Beschluß der Mitgliederversammlung des BPP vom
4. September 1965 in Essen zugrunde, daß die Genehmigung für einen kostenlosen Abdruck des Mitgliederverzeichnisses nur dann erteilt werden sollte, wenn dem BPP nicht angehörende Prüfer „deutlich davon abgesetzt an anderer Stelle aufgeführt“ würden, bzw. wenn gegen solche Prüfer „Ablehnungsgründe gewichtiger Art“ bestünden, diese überhaupt nicht aufgeführt werden dürften.
Über die konkreten Auswirkungen des Beschlusses unterrichtete Dr. Debo die Mitglieder wie folgt: „Wir haben den Verlag des ‚Interphila-Handbuchs’ darauf hingewiesen, daß gegen den Landshuter Briefmarkenhändler Ullmann ein Strafverfahren wegen Betrugs anhängig ist. Wir könnten daher den kostenlosen Abdruck unseres Mitgliederverzeichnisses nur dann gestatten, wenn kein Hinweis – auch nicht in einer privaten Anzeige – auf eine Prüfertätigkeit des Herrn Ullmann aufgenommen werde. Herr U. hat uns jetzt durch seine Anwälte aufgefordert, unser Veto zurückzunehmen, da U. nicht bestraft sei, der BdphPr keine hoheitlichen Funktionen besässe und da der BdphPr gegen die Wettbewerbsbestimmungen verstossen habe. Wir haben es abgelehnt, dieser Forderung nachzukommen, da wir nie behauptet hatten, U. sei bestraft und der BdphPr habe hoheitsrechtliche Funktionen. Da der Zweck unseres Vereins keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfolge, könnten wir auch keine Wettbewerber von U. sein.“ 150)
U. erwirkte nun eine einstweilige Verfügung bei der 7. Zivilkammer des LG München, in der dem BPP untersagt wurde, die Genehmigung zur Aufnahme seines Mitgliederverzeichnisses in das Interphila-Jahrbuch davon abhängig zu machen, daß dort kein Inserat des U. erscheinen dürfe, in dem dieser sich als Prüfer bezeichnet. Die einstweilige Verfügung wurde aus formalen Gründen aufgehoben, jedoch erhob U. am 19. Dezember 1966 vor der gleichen Zivilkammer des LG Klage gegen den BPP.
In einer Besprechung am 19. Januar 1967 zwischen Dr. Debo, Dr. Wittmann und dem Rechtsanwalt des BPP, Dr. Weinberger, schätzte man bei dem von U. beantragten Streitwert von 50.000 DM das Kostenrisiko eines Rechtsstreits durch alle Instanzen im ungünstigsten Falle auf 15.000 DM. Daraufhin erbat Dr. Debo mit Rundschreiben des BPP, Nr. 28 vom 20. Januar 1967, von allen Mitgliedern eine Stellungnahme, ob der BPP das Verfahren durchführen oder nachgeben solle. Debo machte deutlich, daß die Durchführung des Verfahrens nur möglich sei, „wenn sich jeder Prüferkollege zur Zahlung einer bei endgültigem Prozessgewinn rückzahlbaren Umlage von etwa 100.- DM bis 150.- DM
im Verlauf der nächsten 1–2 Jahre und nur bei Bedarf“ verpflichte.
Da die Verhandlung bereits auf den 21. Februar 1967 terminiert war, erbat Debo eine umgehende Stellungnahme. Bis auf wenige Ausnahmen stimmten die Mitglieder der Durchführung des Verfahrens zu und erklärten sich bereit, gegebenenfalls eine Umlage zu leisten.
Debo teilte den Mitgliedern außerdem noch mit, daß er dem Philapress-Verlag die Genehmigung zum kostenlosen Abdruck der Mitgliederliste aufgrund des Beschlusses der Mitgliederversammlung vom 4. September 1965 verweigert habe.
In dem von U. angestrengten Prozeß vor dem LG München unterlag der BPP. Das von der 7. Zivilkammer des LG München I am 2. Mai 1967 verkündete Urteil wurde auszugsweise im Rundschreiben des BPP, Nr. 29 vom 27. Juni 1967, veröffentlicht:
„I. Dem Beklagten wird bei Meidung einer Geldstrafe in unbeschränkter Höhe und an seinem 1. Vorsitzenden zu vollziehender Haftstrafe bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, die Überlassung der Liste der dem Beklagten angehörenden Mitglieder an die Fa. … Philapress-Verlag, zum Abdruck im ‚Interphila-Jahrbuch’ davon abhängig zu machen, daß die genannte Fa. keine Werbeanzeige des Klägers aufnimmt, in der sich der Kläger als Briefmarkenprüfer bezeichnet.
II. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem daraus entstanden ist oder noch entstehen wird. …..
III. Der Beklagte wird verurteilt, 623,58 DM nebst 4% Zinsen seit dem
11. Januar 1967 an den Kläger zu zahlen.
IV. …….
V. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 53 000.– DM vorläufig vollstreckbar.“
Das Urteil stützte sich nach Debos Ausführungen im Rundschreiben Nr. 29 im wesentlichen darauf, daß der BPP „im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gehandelt habe, da zumindest einige seiner Mitglieder gewerbsmäßige Briefmarkenhändler seien.“
Sein „Verhalten sei auch dann sittenwidrig, wenn feststehe, daß der Mitbewerber im geschäftlichen Verkehr schwere Straftaten zum Nachteil seiner Kunden begangen habe und hierdurch bei der Kundschaft den Ruf aller Branchenangehörigen gefährde. Die in einem solchen Fall etwa nötige Ausschaltung eines unzuverlässigen Mitwettbewerbers aus dem Wirtschaftsleben sei Sache der dafür zuständigen Behörden, nicht aber Sache des Wettbewerbers.“
Gegen dieses Urteil legte der BPP Berufung ein.
Zwischenzeitlich hatte Dr. Debo den BDPh, dessen Satzung u.a. als Verbandszweck beinhaltete, der Philatelie durch Bekämpfung von Mißständen auf dem Gebiet der Philatelie zu dienen, gebeten, den BPP bei der Durchführung des Berufungsverfahrens zu unterstützen und eine Art Ausfallbürgschaft in Höhe von etwa 5 000 DM zu übernehmen, „da das Prozessrisiko unsere finanziellen Mittel übersteige und das Urteil besonders die Sammler betreffe, da ja die Prüfer selbst kaum mit Fälschungen betrogen würden.“ 151) Hierzu sah sich der BDPh nicht imstande. Wie er Debo gegenüber mit Schreiben vom 20. Juni 1967 zum Ausdruck brachte, sei es „nicht seine Aufgabe, Rechtsstreitigkeiten zu führen, die sich aus der Tätigkeit einer einzelnen Gliederung ergeben; er habe auch nicht die Mittel, um Aufgaben zu übernehmen, die letztlich dem Staat zukommen, nämlich Schutz vor unlauteren Elementen.“ 152), 153)
Angesichts dieser Sachlage wollte Dr. Debo den Vorsitz im BPP niederlegen und sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen.
Er berichtete dann im Rundschreiben des BPP, Nr. 31 vom 10. November 1967, daß man den Beirats- und Verwaltungsratsmitgliedern des BDPh eine eingehende „Darstellung der Lage“ gegeben habe. Daraufhin sei auf dem Bundestag in Karlsruhe am 6. August 1967 beschlossen worden, „durch eine Sonderumlage einen zweckgebundenen Betrag von rund 20.000.– DM aufzubringen, der dazu dienen soll, unseren Prozeß gegen Ullmann und etwaige ähnliche Verfahren zu finanzieren, damit die Durchführung bis zu den höchsten Instanzen gesichert ist.“
Das Berufungsverfahren endete dann für den BPP erfolgreich. Der 6. Zivilsenat des OLG München entschied am 15. Februar 1968 wie folgt:
„I. Auf die Berufung des Beklagten (Prüferbund) wird das Endurteil d. LG München I vom 2. Mai 1967 aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
IV. Der Kläger (Ullmann) hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.“ 154)
Kurz zusammengefaßt stellte das OLG fest, „daß der Prüferbund keine Wettbewerbsabsicht habe, da es ihm in erster Linie auf die Ordnung des Prüfwesens, an dessen Funktionieren sowohl die Händler als auch die Sammler naturgemäß stärkstens interessiert sind , ankomme, wie sich aus der satzungsgemäß verankerten Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Philatelisten und dem Allgemeinen Postwertzeichen-Händler-Verband ergibt. Der erkennende Senat ging davon aus, daß der Prüferbund im Interesse der Sammler und Händler das berechtigte Ziel verfolge, das Vorhandensein zuverlässiger und sachkundiger Prüfer auf diesem Gebiet, auf dem, wie gerichtsbekannt sei, Fälschungen nicht selten vorkommen, zu garantieren und damit der Tätigkeit charakterlich oder mangels Sachkunde ungeeigneter Prüfer entgegenzuwirken.“ 155), 156)
Gegen das Urteil des OLG legte U. Revision beim Bundesgerichtshof ein.157) Der BGH, der zu den im Rechtsstreit erörterten kartellrechtlichen Fragen auch eine Stellungnahme des Bundeskartellamtes einholte, wies dann mit Urteil vom 1. Oktober 1970 (KZR 18/68) die Klage von U. gegen den BPP
endgültig ab.
Ein weiteres Thema war, daß bei dem exzellenten Ruf des BPP sowohl in Deutschland aber auch im internationalen Bereich damit gerechnet werden mußte, daß freie Prüfer versuchen würden, durch zum Verwechseln ähnliche Kurzbezeichnungen oder Atteste bei Auftraggebern von Prüfungen den Eindruck zu erwecken, ihre Prüfung sei die eines Mitgliedes des BPP. Deshalb hatte der Vorstand vorausschauend im Jahre 1999 die Wortmarke BPP sowohl als deutsche Marke als auch als internationale Marke eintragen lassen. Diese Voraussicht zahlte sich 2001 aus, als einige deutsche und ausländische Auktionshäuser in ihren Katalogen für Prüfungen anderer Prüfer eine Abkürzung verwendeten, die eine erhebliche Verwechslungsgefahr mit BPP-Prüfungen beinhaltete. Der Markenschutz ermöglichte es, ohne Rechtsstreitigkeiten den betreffenden Firmen die weitere Verwendung der zum Verwechseln ähnlichen Bezeichnung zu untersagen.
150) Rundschreiben des BPP, Nr.26 vom 22. August 1966.
151) Rundschreiben des BPP, Nr.29 vom 27. Juni 1967.
152) Rundschreiben des BPP, Nr.30 vom 24. Juli 1967.
153) In seinem Schreiben vom 25. Juli 1971 an die Bundesstelle für Fälschungsbekämpfung kam Debo nochmals auf diese Situation zu sprechen und stellte deren Leiter Dobbert zu Recht die Frage: „Wenn das der BDPh mit seinen 50.000 Mitgliedern nicht kann, soll es dann der Prüferbund mit weniger als 100 Mitgliedern können?“
154) Rundschreiben des BPP, Nr.32 vom 25.3.1968.
155) Bericht der Bundesstelle C am 22. Bundestag in Soest am 7. September 1968, Berichter: Dr. Arno Debo, in: BN, Nr. 82 vom 1. November 1968, Beilage, S. V.
156) Mit Rundschreiben des BPP, Nr.32 vom 25. März 1968 informierte Debo die Mitglieder ausführlich über die „wesentlichen und allgemein interessierenden Ausführungen“ aus der Urteilsbegründung.
157) Rundschreiben des BPP, Nr. 33 vom 22. Juni 1968.