Sicherheit für Sammler, Handel und Auktionatoren
In den vorangegangenen Kapiteln ist an verschiedenen Stellen auf Maßnahmen eingegangen worden, die das Ziel hatten, den Auftraggebern von Prüfungen eine höhere Sicherheit zu gewährleisten. Diese resultierte erstens aus Verbesserungen der Qualität der Prüfungen, zweitens aus verbesserten Regelungen und drittens aus bestimmten formalen Vorkehrungen, die dem Schutz der Auftraggeber oder Dritter dienen sollten.
Die Qualität der Prüfungen versucht der BPP dadurch soweit wie möglich sicherzustellen, daß er hohe Hürden beim Aufnahmeverfahren errichtet hat. Wer die Aufnahme in den BPP anstrebt, hat erst einmal die Anforderungen zu erfüllen, die in den „Richtlinien zur Anerkennung als Verbandsprüfer“ festgelegt sind (siehe Anlage 15 auf den S. 162–163).
Dann hat er das vorbereitende Seminar für Prüferanwärter erfolgreich zu absolvieren, erhält – soweit möglich – Testsendungen, die er erfolgreich zu bearbeiten hat und wird erst dann zur zentralen Prüfung nach Frankfurt eingeladen, bei der von einer aus mehreren Prüfern bestehenden Kommission sein Wissen in dem von ihm beantragten Prüfgebiet sowie der Umfang seines Vergleichsmaterials und dessen systematische Aufbereitung überprüft wird. Hat er auch diese Kommissionsprüfung erfolgreich überstanden, beschließt die Mitgliederversammlung mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen über seine Aufnahme als außerordentliches Mitglied. In der Zeit der außerordentlichen Mitgliedschaft, die mindestens zwei Jahre, höchstens aber vier Jahre dauert, wird ihm ein erfahrener Prüfer als Konsultationspartner zur Seite gestellt, dem er seine Prüfungen vor Rückgabe an den Auftraggeber vorzulegen hat. Hierbei kann die Mitgliederversammlung beschließen, daß die Vorlegungspflicht sich auf Prüfgegenstände ab einem bestimmten Wert oder auf solche bestimmten Schwierigkeitsgrades beschränkt.
Nach mindestens zwei Jahren beanstandungsfreier Prüftätigkeit kann Antrag auf ordentliche Mitgliedschaft gestellt werden, der in der Mitgliederversammlung ebenfalls eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfordert. Sollte die Mitgliederversammlung nach vier Jahren die Aufnahme als ordentliches Mitglied nicht beschlossen haben, endet automatisch die Mitgliedschaft im BPP.
Trotz dieser hohen Anforderungen kann nicht ausgeschlossen werden, daß es in Einzelfällen zu gravierenden Fehlprüfungen kommen kann. Für diesen Fall versetzt die Satzung den Vorstand in die Lage, entsprechende Maßnahmen (sofortige Einstellung der Prüftätigkeit bis zur Klärung der Sachlage, Ausschluß) zu ergreifen.
Eine der Hauptursachen von Fehlprüfungen ist erfahrungsgemäß der Altersabbau. Aus diesem Grund hat der BPP eine Altersgrenze eingeführt, die in Kapitel 9, S. 92, ausführlich dargestellt wurde. Aber auch andere allzu menschliche Schwächen, wie Leichtsinn, Interessenkonflikt, Geldgier, Profilierungsdrang, mangelnde Weiterbildung, können Ursache von Fehlprüfungen sein. Der BPP versucht hiergegen u.a. mit Weiterbildungsmaßnahmen (siehe Kapitel 9, S. 94 f.) und Transparenzregeln (siehe Kapitel 9, S. 93) anzugehen.
Die Zulassung der Mitglieder nur für bestimmte Prüfgebiete und auch die hohen Anforderungen bei Prüfgebietserweiterungen haben zur Folge, daß vom Prüfer ein tiefgehendes Wissen und entsprechend umfangreiches Vergleichsmaterial gefordert werden kann. Diese Spezialisierung ist ein wesentlicher Sicherheitsfaktor für den Auftraggeber.
Auch die vom BPP angewandten Regeln dienen der Sicherheit der Auftraggeber. Die im Internet (www.bpp.eu) veröffentlichten Prüfstandards, die neben den traditionellen Prüfmethoden auch digitale Prüftechniken beinhalten, klären darüber auf, was von einer philatelistischen Prüfung erwartet werden kann.
Die ebenfalls im Internet veröffentlichte Prüfordnung regelt die Rechte und Pflichten aus dem Prüfvertrag, insbesondere die Haftung des Prüfers. Ein entscheidender Punkt ist die Verpflichtung des Prüfers zur Falschkennzeichnung. Dies ist eine Maßnahme, die bisher weltweit ohne Beispiel ist und die dem Schutz der gesamten Philatelie dient. Um sicherzustellen, daß im Schadensfalle Haftungspotential vorhanden ist, ist jeder Prüfer zum Abschluß einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung verpflichtet.
Kommen wir zu den formalen Maßnahmen, die dem Schutz der Auftraggeber oder Dritter dienen. Da Briefmarkenfälscher nicht davor zurückschrecken dürften, auch Atteste und Befunde zu fälschen, verwenden die Prüfer des BPP seit 1993 fälschungssichere Attest- und Befundvordrucke, die ihnen vom BPP zur Verfügung gestellt werden. Farbabbildungen, die durch Prägesiegel gesichert sind, erlauben eine einwandfreie Identifizierung des im Attest oder Befund beschriebenen Prüfgegenstandes. Bei Einstellung der Prüftätigkeit sind unverbrauchte Vordrucke sowie das Prägesiegel an den BPP zurückzugeben.
Aufgrund der vom Auftraggeber bei Erteilung des Prüfauftrages anzuerkennenden Prüfordnung des BPP ist der Prüfer berechtigt, auf zeitlich vorhergehenden Attesten und Befunden, die nicht mehr zutreffend sind, entsprechende Vermerke anzubringen. Dies bedeutet nicht unbedingt, daß bei Erstellung des älteren Attestes eine Fehlprüfung erfolgt sein muß, sondern der Prüfgegenstand kann sich zwischenzeitlich auch in der Qualität verändert haben (z.B. Beschädigung, Verfärbung durch Lichteinfluß oder Unterbringung in ungeeigneten Folien).
Da es in Deutschland üblich ist, daß viele Sammler auch geringwertige Marken nur geprüft erwerben wollen, spielt die Signierung von Marken nach wie vor eine relativ große Rolle. Nachdem früher jeder Prüfer ein eigenes Prüfzeichen verwendete, gibt es seit 1973 nur noch einheitliche Prüfzeichen (Name BPP), die Eigentum des BPP sind und nach Beendigung der Prüftätigkeit an ihn zurückzugeben sind. Damit wird verhindert, daß z.B. nach dem Tod eines Prüfers mit seinem Prüfzeichen Mißbrauch getrieben werden kann. Die zurückgegebenen Prüfzeichen werden unter notarieller Aufsicht vernichtet.
Natürlich sind auch Prüfzeichen nicht vor Fälschern sicher. Jedoch kann trotz der Einführung der Kurzbefunde im Jahre 1997 nach wie vor nicht auf die Signierung verzichtet werden, auch wenn – wie Kurt Karl Doberer bereits 1952 darlegte 158) – „ein Prüfstempel nur einmal, wenn er eben direkt vom Prüfer kommt, sein volles Gewicht hat.“
Trotz aller dieser Maßnahmen kann es in der Philatelie – wie auch in vielen anderen Bereichen – absolute Sicherheit nicht geben. Sehen wir einmal von den eben beschriebenen Veränderungen der Qualität und klaren Fehlprüfungen ab, so können frühere Prüfungen durch neue Erkenntnisse hinfällig werden. Neue Erkenntnisse entstehen durch das Voranschreiten der Forschung, durch Auftauchen bisher unbekannten Materials und auch durch die Öffnung bisher unzugänglicher Archive. Es ist selbstverständlich, daß ein Prüfer immer nur den zum Zeitpunkt seiner Prüfung bekannten Stand des Wissens berücksichtigen kann. Künftige Erkenntnisse kann er nicht voraussehen.
Auch durch neue Prüftechniken, wie z.B. durch den Einsatz von Computern, können frühere Prüfungen sich als unzutreffend erweisen.
Und letztlich können sich auch die Qualitätsanforderungen aufgrund von Marktentwicklungen verändern. Was z.B. vor einigen Jahrzehnten noch als einwandfrei galt, kann heute mit einer Einschränkung versehen sein.
Es ist zwar keine neue Erkenntnis, daß es nie eine absolute, sondern nur eine relative Sicherheit geben kann, aber der Wunsch nach absoluter Sicherheit – „was vor 30 Jahren echt war, muß doch auch heute noch echt sein“ – scheint bei Sammlern besonders ausgeprägt zu sein. Jedoch sind auch Berufsphilatelisten dagegen nicht immer gefeit. Deshalb soll dieser Hinweis dieses Buch beschließen, das ein halbes Jahrhundert philatelistisches Prüfwesen umfaßt.
158) Kurt Karl Doberer, Sind Prüfstempel ideal?, in: Welt-Ring, Heft 4/5 vom April/Mai 1952, S. 105 f.